Anton Karas als 17 jähriger mit seiner Zither © privat

Man stelle sich folgendes Szenario vor: Carol Reed noch in Pyjama und Schlafrock ­ es ist Sonntag und der einzige drehfreie Tag der Woche , ein verrauchtes Hotelzimmer voller Menschen, ein Tontechniker mit einem einfachen Klangfilmrekorder und ein bescheiden gekleideter Wiener mit einem Instrument, das den meisten im Raum nicht einmal vom Hörensagen bekannt ist:

" Ich komm ins Zimmer hinein, fast 30 Leute, alle Pfeifenraucher, teils sind sie auf dem Boden gesessen, wie's die Engländer machen, und ich musste sofort zu spielen anfangen. Links und rechts von mir zwei Damen, die mussten alles aufschreiben. ... Jetzt müssen Sie sich vorstellen, man hat keine Inspiration, keiner singt mit ... der Einzige, der Deutsch konnte, ist hinten im Winkerl gesessen, das war mein Dolmetscher [der deutsche Dialogregisseur Paul Martin] ... und am Abend ist mir schon das Blut zwischen die Fingernägel gekommen, um sechs hab ich g'sagt, so jetzt ist's aus, um sieben muss ich wieder bei meinem Heurigen spielen ... aber er hat mir einfach nicht die Finger von der Zither wegnehmen lassen ... endlich kommt der Einzige, der Deutsch konnte, zu mir, und erklärt mir auf meine Frage, wer die Leute eigentlich sind, für die ich spielen muss, und dass der Mann Carol Reed ist, der berühmte Regisseur, und die Frau seine Gattin, und dass der Film 'Der Dritte Mann' heißt ...

Anton Karas spielt im Studio immer und immer wieder die Melodie. Im Hintergrund sieht man Carol Reed auf der Bank sitzen © Canal+ Image

... aber ich hab ihm nur gesagt, 'Sie müssen ihm übersetzen, dass er verrückt ist, ich bin doch keine Maschine,da, schauen Sie sich doch meine Finger an, ich geh jetzt zu meinem Heurigen, ich muss ja noch Geld verdienen ... und seine Frau, ich hab ja nichtgewusst, dass sie so gut Deutsch spricht, hat ihm alles übersetzt ... und was macht der Mann, er legt seine Hand auf meine Schulter und sagt 'poor Toni' da hab ich noch einmal die Hände auf die Zither gelegt und gespielt..."

Verzweifelt nach weiteren Liedern suchend, fällt Anton Karas ein Übungsstück ein, das sein Lehrer vor Jahren einmal für ihn geschrieben hat. Das muss sie gewesen sein, die Musik, die Reed an Harry Limes Melodie in der Geschichte von Graham Greene erinnert: "... da ist er aufgesprungen, als ob ihn eine Tarantel gestochen hätte, und er hat sich neben mich hingekniet und gesagt 'please, once more' ... und jetzt können Sie sich vorstellen, eine volle Stunde 'once more, once more, once more'....

Anton Karas wird von Königin Elizabeth von England empfangen © Canal+ Image